Auto (über)fordert Mensch

Autor: Bernd Sautter

14. September 2023

Die Bedienkonzepte moderner Fahrzeuge stellen Fahrerinnen und Fahrer vor mehr Probleme, als es Automobilhersteller wahr haben wollen. Es zeigt sich erneut: Je mehr Technologie verbaut wird, umso wichtiger ist eine vernünftige Schulung. 

Automobilhersteller geben bei der Digitalisierung Vollgas. In allen modernen Fahrzeug-Cockpits kann man es ablesen. Schalter, Drehknöpfe und Regler verschwinden. An ihre Stelle treten Multi-Funktion, Touchscreen und Menüführung. Die Hersteller versprechen einfache, intuitive Bedienung. Doch eine unabhängige Studie der DEKRA legt das Gegenteil nahe. Viele Fahrerinnen und Fahrer sind gefordert – wenn nicht überfordert – angesichts der Bedienkonzepte, die in aktuellen Modellen verbaut werden. 

Entlarvende Probantenstudie

In der Studie ließ die DEKRA Unfallforschung 80 Personen sicherheitsrelevante Bedienaufgaben in zwei Versuchsfahrzeugen durchführen. Es wurden zwei Generationen desselben Fahrzeugtyps ausgewählt. Ein Modell von 2011 und ein Modell gleichen Typs von 2021, also mit selber Bedienphilosophie, aber unterschiedlichen Fahrzeuggenerationen. Einfache Aufgaben waren zu lösen wie beispielsweise das Einschalten des Scheibenwischers, der Frontscheibenbelüftung und des Radios. Das Ergebnis: Die Probanden benötigten beim neuen Modell im Durchschnitt länger – teilweise sogar mehr als doppelt so lange. Von „intuitiver Bedienung“ kann keine Rede sein. Manche Fahrerinnen und Fahrer waren so verwirrt, dass sie für einzelne Aufgaben mehr als eine Minute benötigten.

Schwierigkeiten betreffen auch sicherheitsrelevante Funktionen

Von den Probanden wurden unter anderem bemängelt: ein hoher Lernaufwand, Schwierigkeiten für Brillenträger und sicherheitsrelevante Funktionen, die kaum aufzufinden waren, weil sie in den Tiefen der Menüführung versteckt waren. Die DEKRA Studienautoren fordern deshalb weitere Verbesserungen der Konzepte und eine herstellerunabhängige Standardisierung bezüglich der Anordnung, des Anbringungsorts und der Handhabung der jeweiligen Elemente im Fahrzeug-Cockpit.

Nicht weniger, sondern mehr Schulungsbedarf

Für Fahrlehrerinnen und Fahrlehrer sollten die Ergebnisse keine große Überraschung sein. Sie erleben tagtäglich, wie komplex Autofahren geworden ist – gerade vor dem Hintergrund der Digitalisierung und der hohen Anforderungen an die Verkehrssicherheit. Die Ergebnisse der DEKRA Studie untermauern die zentrale Stellung von Fahrschulen für die Verkehrssicherheit. Die Digitalisierung von Fahrzeugen vermindert den Schulungsbedarf keinesfalls. Im Gegenteil: Je mehr Funktionen in Automobilen verbaut werden, desto notwendiger ist pädagogische Anleitung. Offenbar nicht nur für Menschen in der Fahrausbildung. Sondern auch für erfahrene Fahrerinnen und Fahrer, die nur einen simplen Modellwechsel vollziehen. 

Die Ergebnisse der Studie stehen auf der Seite der DEKRA zum Download zur Verfügung.

Foto: von Randy Tarampi auf Unsplash. Lizensiert unter UnsplashPlus Lizenz

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