Wie realistisch sind Steuerbegünstigungen für die Klasse B?

13. Mai 2025

Ansprechpartner:
Christian KohlerVEREINBAREEN
13. Mai 2025
Ansprechpartner:
Christian KohlerDer Vorschlag liegt auf dem Tisch. Damit der Führerschein bezahlbar bleibt, sollen die Kosten für den Erwerb der Klasse B als haushaltsnahe Dienstleistung steuerlich absetzbar werden. Im Interview erklärt MOVING-Präsident Jörg-Michael Satz, wie sein Vorschlag die Chancen auf eine schnelle Umsetzung erhöht.
Jörg-Michael Satz, woher kam der Impuls für Ihren Vorstoß?
Die Kosten für den Führerscheinerwerb steigen. Die Fahrschulen haben das nicht zu verantworten, sie leiden ohnehin schon stark unter Kostendruck. Auf der anderen Seite darf es nicht sein, dass sich junge Menschen den Führerschein nicht mehr leisten können. Hier ist die Politik gefordert. Der Führerschein gehört zu den Grundqualifikationen in unserer Gesellschaft. Eine exzellente Fahrausbildung liegt im höchsten Interesse von uns allen. Es geht um die allgemeine Verkehrssicherheit. Wir brauchen eine schnelle und unkomplizierte Lösung.
Warum steigen die Kosten so stark an?
Die Kostensteigerung trifft die Fahrschulen besonders empfindlich, nämlich genau in den Bereichen, die am meisten ins Gewicht fallen: Fahrzeuge und Personal. In manchen Fahrschulen macht das Personal fast die Hälfte der Gesamtkosten aus – und genau hier kann und will niemand sparen. Wir leben in Zeiten des akuten Fahrlehrermangels. Gute Fahrlehrerinnen und Fahrlehrer haben eine anständige Bezahlung mehr als verdient. Als Präsident der MOVING International Road Safety Association e.V. betone ich: Eine gute Fahrausbildung ist der wichtigste Baustein für die Verkehrssicherheit auf unseren Straßen. Die Branche leistet einen wesentlichen Beitrag zur Verkehrssicherheit und zur Realisierung der Vision Zero. Sie ist vielleicht die beste Unfallprävention. Sie verringert die Zahl der Verkehrstoten – gerade bei Fahranfängern.
Warum der Appell an die Politik?
Das gesamtgesellschaftliche Interesse, den Führerschein bezahlbar zu halten, ist unübersehbar. Die aktuelle Diskussion um die hohen Führerscheinkosten darf nicht auf dem Rücken der Fahrschulen ausgetragen werden. Im Fokus steht die Klasse B. Das ist der Führerschein, den jeder und jede erwerben können sollte.
Was schlagen Sie konkret vor?
Die Führerscheinausbildung der Klasse B sollte als haushaltsnahe Dienstleistung nach § 35a EStG anerkannt werden. Steuerpflichtige könnten dann ihre Ausbildungskosten am Ende des Jahres direkt in der Einkommensteuererklärung absetzen.
Wie würde sich dies konkret auswirken?
Nehmen wir eine Fahrschülerin mit einem Einkommen von 18.000 Euro und einer Einkommensteuer von 1.150 Euro. Für den Führerschein gibt sie, sagen wir, 4.000 Euro aus. Nach § 35a EStG könnte sie 20 Prozent der Kosten, also 800 Euro, absetzen. Sie würde also ihre Einkommensteuer von 1.150 Euro auf 350 Euro reduzieren. Ohne dass die Fahrschule ihre Preise auch nur um einen Cent senken müsste.
Wie realistisch ist Ihr Vorschlag vor dem Hintergrund, dass Vorschläge für Steuererleichterungen für Fahrschulen vor Gericht gescheitert sind?
Gerade daraus haben wir gelernt, dass dieser Weg am ehesten geeignet ist, Fahrschülern und Fahrschulen wirklich entgegenzukommen. Was deutsche und europäische Gerichte in den letzten Jahren und Jahrzehnten abgelehnt haben, war eine generelle Umsatzsteuerbefreiung. Dieser Weg ist auf absehbare Zeit versperrt. Zuletzt hat ihn der Europäische Gerichtshof 2019 blockiert als er entschied, dass Fahrschulen keine Schulen im Sinne des Steuerrechts sind. Dieses Thema neu aufzurollen, würde wahrscheinlich Jahrzehnte dauern – mit ungewissen Erfolgschancen.
Warum hat Ihr Weg über die Einkommensteuer bessere Chancen?
Die Einkommenssteuer fällt in die nationale Gesetzgebungskompetenz. Der Bundestag kann in Eigenregie das Einkommenssteuergesetz (EStG) verändern. Darum ist unser Vorschlag praktikabel und erhöht die Chancen auf eine zügige Lösung im Sinne aller Beteiligten. Außerdem würde sich für die Fahrschulen weniger ändern.
Weniger Veränderung, ist das gut für die Fahrschulen?
In diesem Fall ja! Würde man die Fahrschulen von der Umsatzsteuer befreien, würde das auch den Verlust des Vorsteuerabzugs bedeuten. Das könnte – um es klar zu sagen – einige Fahrschulen sogar mehr belasten als entlasten. Unser Verband hat Steuerberater Thore Guse, Partner bei Beratungswert Steuer und Recht in Wiesbaden und Referent für Umsatzsteuerfragen, um eine Stellungnahme gebeten. Das Fazit, das aus seiner Beurteilung hervorgeht, könnte man so zusammenfassen: Eine Umsatzsteuerbefreiung klingt zwar nach einer schnellen Entlastung. Sie bringt aber nicht nur wirtschaftliche Vorteile mit sich.
Wie lautet Ihre Prognose: Kann sich die Politik zu einer solchen Maßnahme durchringen?
Nach der Verkehrsministerkonferenz im April ist meine Zuversicht gewachsen. Dort hat man eingehend diskutiert, wie die Kosten der Fahrausbildung gesenkt werden können. Besprochen wurden unter anderem Fahrsimulatoren, Erleichterungen bei Lkw- und Bus-Fahrerlaubnissen sowie Lernerfolgskontrollen und verbindliche Vorprüfungen für die Theorie, um Durchfallquoten zu senken. Als MOVING begrüßen wir ausdrücklich, dass sich die Politik mit diesen Themen beschäftigt. Unser Vorschlag ergänzt die diskutierten Punkte mit einer praktikablen steuerpolitischen Lösung.